Gar nicht.
Ich habe geschrieben, dass es uns eh noch gut geht. Dass wir weit weg sind von Atemnot und Krankenhauseinlieferungen. Dass wir das Beste daraus machen und uns nicht zu tief hineinziehen lassen wollen. Aber ich habe einiges nicht geschrieben.
Dieser Text soll nicht Angst machen. Er soll zum Nachdenken anregen. Und er soll die, die auf dem zu hohen Ross der Unantastbarkeit dahingaloppieren, ein bisschen herunterholen.
Denn: Es kann jeden treffen. Jeden und jede. Es kann kommen, in Momenten der Unachtsamkeit sowie in Momenten des höchsten Achtgebens und Abstandhaltens. Diese Krankheit macht nicht Halt, hört nicht einfach auf, ansteckend zu sein, wenn wir aufhören daran zu denken.
Ich habe einiges nicht geschrieben. Ich habe gesagt, dass das Daheimsein seine Vorteile hat, dass der Geschmacksverlust zwar lästig, aber nicht bedrohlich ist. Ich habe geschrieben, dass es zwar ungut, aber zum Aushalten ist.
Und ich habe nicht geschrieben, was dieses Daheimsein-MÜSSEN mit uns macht. Wie eng die vier Wände werden. Wie anstrengend es ist, mich am Abend nicht aufs Bett zu freuen, weil ich eh quasi den ganzen Tag herumgelegen bin. Ich habe nicht geschrieben, dass ich mich vor den Nächten fürchte, weil ich Angst habe, plötzlich keine Luft mehr zu bekommen. Oder wenn schon nicht ich, dann irgendwer aus meiner Familie. Wie fad der immer gleiche Blick aus dem immer gleichen Fenster wird, auch wenn der Baum noch so schön und die Landschaft noch so weit ist. Das habe ich nicht geschrieben.
Ich habe auch nicht geschrieben, dass immer auch eine Schuld mitschwingt – hätten wir nur besser aufgepasst, hätten wir nur mehr Abstand gehalten. Hätten wir nur weniger getan, weniger umarmt, weniger Menschen getroffen. Hätten wir. Haben wir auch, aber eben nicht immer. Vor allem in dem Moment, in dem wir uns angesteckt haben. Im eigenen Haus. Aber – und das möchte ich uns und allen da draußen sagen: Es geht nicht um Schuld, es geht um Verantwortung. Und ich sehe es als meine Verantwortung, Aufklärung zu betreiben. Mit diesem Text und mit meinen Geschichten.
Ich sehe es als meine Verantwortung, euch zu erzählen, dass es anstrengend, trostlos, erschöpfend, einengend, sorgenreich und angsteinflößend ist, eine Krankheit wie diese zu haben. Von der es weder ein Gegenmittel, noch eine Gewissheit, wie es weitergehen wird, gibt. Und nein, es ist keine Grippe. Es ist auch nicht „wie eine Grippe“. Weder die Symptome, noch das Gefühl. Denn wir wissen nicht, wie es weitergeht. Wir wissen nicht, ob es Langzeitschäden gibt und wenn ja, ob wir vielleicht auch hier die „Auserwählten“ sind, die diese haben werden. Wir kennen diese Krankheit weder gut noch lange und das macht sie sehr groß und unberechnend.
Ich habe nicht geschrieben, dass das Nichtschmecken und -riechen nach mehr als 3 Tagen einfach nur noch lähmend ist. Dass ein Teil der Lust am Leben auch die Lust am Genuss ist. Und dass dieser Teil wegfällt, wenn ich einfach auch Papier essen könnte. Wenn ich mich nach jeder Mahlzeit nicht besser und gestärkt, zufriedener und gesättigt fühle. Sondern zum Nichtschmecken auch noch eine Übelkeit dazukommt, die sich zäh über das nicht stattgefundene Geschmackserlebnis legt und viel länger bleibt, als jeder gute Nachgeschmack bleiben könnte.
Ich habe nicht geschrieben, was die Ungewissheit und die Gefahr, die von dieser Krankheit ausgehen, mit mir und meiner Psyche machen. Ich habe nicht geschrieben, dass ich Angst habe um meine Familie. Dass ich beim Einschlafen nicht tief atmen kann, weil dieser Spuk innerlich und äußerlich auf meiner Brust liegt und sich schwer macht.
Ich habe auch nicht geschrieben, dass unser Verlauf zwar mild bis mittelschwer ist, aber dass bereits das so viel mit sich bringt.
Ich schreibe diesen Text nicht zum Angstmachen. Ich schreibe ihn, um aufzurütteln, um wachzumachen. Um Whatsapp-Status-Nachrichten, die immer noch verleugnen, dass es sowas wie diesen Virus wirklich gibt, dass es ja keine Pandemie ist, wenn man nicht mindestens eine Person kennt, die „wirklich, ja so wirklich“ krank ist, zu entkräften. Denn hier habt ihr jemanden, die wirklich krank ist. Und die diesen wirklich nicht angenehmen Zustand NIEMANDEM, ja wirklich niemandem, wünscht.
Und so, wie es meine Verantwortung ist, darüber zu sprechen und zu schreiben, so sehe ich es als eure Verantwortung, für uns alle Verantwortung zu übernehmen. Und ihr wisst, wie man das macht. Wir wissen das alle mittlerweile ganz genau.
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