Im Gemütergarten

Im Garten erkenne ich die Gemüter. So verschieden, wie sie eben sein können. Ich beobachte sie beim Garteln, doch übertrage ihr Wirken indirekt auch auf das Leben.

Wie unterschiedlich wir doch sind!

Mein Garten ist wild und verwachsen, schnell muss es gehen und praktisch soll es sein. Doch der Garten ist nicht nebensächlich, keinesfalls! Ich halte inne, staune, betrachte und erfreue mich an den Früchten, die er mir bringt. Am liebsten habe ich 100 verschiedene Pflanzen, ich kümmere mich je nach Laune darum und meine Devise: Was wird, wird. Damit bin ich zufrieden.

Dann sehe ich dich, wie du deine Blumen liebevoll aufpäppelst, jedes Blatt betrachtest. Wie du Rosen und Nelken und Ranunkel umsorgst. Einen kleinen, feinen Blumengarten hast du dir angelegt. Strahlend erzählst du von der Blume, die den Winter überlebt hat und jetzt wieder in voller Pracht erwacht. Stolz lässt du mich teilhaben an den Geschichten zu jeder Pflanze, die du mit all deiner Feinheit in all ihrer Schönheit dort wachsen lässt.

Du wiederum baust Schutzorte für deine Pflanzen. Lässt sie nicht hängen, hilfst ihnen beim Wachsen. Du steckst Stangen zum Hochklettern in die Erde, konstruierst Gitter zum Festhalten aus allen Materialien, die dir unterkommen. Ein Garten ist für dich Arbeit, doch eine, die dich auch mal zur Ruhe kommen lässt. Der Garten spiegelt auch irgendwie dein Leben wider und du erfreust dich daran. Mitunter auch, weil es jahrelange, liebevolle Arbeit bedeutet hat, diesen bunten, wilden, durchdachten und erntebringenden Naturgarten zu haben.

Du genießt deinen Garten. Früher hast du Sonnenblumen gepflanzt und ihnen beim Wachsen zugeschaut. Heute wachsen lange schon andere Pflanzen an ihrer Stelle, doch die Veränderung nimmst du hin, loslassen fällt dir auch im Garten nicht schwer. Du möchtest dich beschützt fühlen, im Schatten der Bäume Kraft tanken und wenn das Gras zu hoch wird, dann mähst du es, wenn es sein muss. Du magst es, wenn dein Garten schön ist und schätzt die Blüten, Gräser und Gewächse – und die Arbeit der anderen.

Wenn ich dich im Garten betrachte, sehe ich auch dein Gemüt. Du schenkst all deine Aufmerksamkeit, all dein Wissen und deine Zeit dieser einen Pflanze, die traurig ihr Köpfchen hängen lässt. Du versuchst alles, um sie zu dem zu bringen, wozu sie geboren wurde: zum Wachsen und Gedeihen. Du gibst nicht auf, weder sie noch deine Nerven. Wem es nicht gut geht, dem gebührt die Unterstützung, das ist gartenklar für dich.

Wie wundervoll unterschiedlich wir uns um die Pflänzlein kümmern. Wie bunt, wie verschieden, wie ertragreich unser Gemütergarten doch ist!


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