Das erste Mal, dass ich mit einer anderen Sprache als meiner Familiensprache konfrontiert war, war als ich in die Schule gekommen bin. Eine Lehrerin korrigierte mich, als ich von Zantimeter sprach (was bei uns daheim „Zentimeter“ hieß). Ein Wort, das anscheinend nicht Schul-Deutsch genug war. Ich war 6 Jahre alt.
Der nächste Zeitpunkt, an dem ich Unterschiede in meiner Sprache bemerkte, war Jahre später: Als Deutschlehrerin in Frankreich musste ich des Öfteren zugeben, dass Dinge, die im Buch standen, zwar so stimmten, dass ich diese allerdings anders sagen würde. Auf Österreichisch nämlich. An einem dieser Tage wurde mir bewusst, dass dies eine „echte“ Sprache war. Dass ich sie zwar immer als Deutsch titulierte, aber andere Regeln gelten, sie eine (sehr!) andere Aussprache und andere Wörter beinhaltet und dass es je nach Region auch zu großen Unterschieden kommen kann. Dass also Standarddeutsch meine erste Fremdsprache war (ohne mir wirklich fremd zu sein), wurde mir dort zum ersten Mal bewusst. Ich war 23 Jahre alt.
Jahre später, als ich an meinem ersten Buch geschrieben habe (und hier wirds schon schwierig für mich, weil ich keeeine Ahnung habe, ob ich hier eigentlich „schrieb“ schreiben sollte – Präteritum verwenden wir willkürlich in Österreich nur bei ein paar Wörtern). Aber zurück zum Gedanken: Also beim Arbeiten an meinem Buch habe ich neben ein paar inhaltlichen Anmerkungen vor allem Rückmeldungen zu österreichischen Ausdrücken bekommen, die ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht als solche entlarven konnte. Ich war 28 Jahre alt.
Um die ganze Geschichte aber noch etwas zu verstricken, gibt es eine Draufgabe. Denn im Alltag – bei meinem Mann und mir zu Hause – sprechen wir gar nicht viel Deutsch. Österreichisch auch nicht. Wir sprechen unseren eigenen Mix aus Englisch, Spanisch und ein paar Ausdrücken auf Österreichisch. Mir fällt schon gar nicht mehr auf, wann ich welche Sprache verwende. Doch wenn wir mit anderen Menschen beisammen sind, merken wir, wie wirr unsere Kommunikation wirken muss. Wenn diese Menschen dann auch noch zwei oder sogar alle drei dieser Sprachen verstehen, wird es kompliziert. Denn die Sprache wechselt oft mitten im Satz. Wörter, die wir in einer Sprache etabliert haben, verwenden wir ziemlich ausschließlich in dieser Sprache.
Manchmal bin ich ganz verwundert, welche Ausdrücke auf Englisch oder Spanisch ich weiß. „Graureiher“ fällt mir beispielsweise schneller auf Spanisch ein als auf Deutsch. „Hülsenfrüchte“ auch.
An dieser Stelle schreibe ich immer so etwas wie eine Zusammenfassung, die Moral der Geschicht oder einfach eine Übertragung auf andere Lebensumstände. Heute fällt mir dazu nichts ein. Außer, dass Sprache halt einfach viel kann und macht und dass es schön ist, sich zu verstehen. Egal, in welcher Sprache.