In diesem Moment, in dem ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in einem Zelt, mit Blick auf einen Fluss. Neben mir spielt Gastón auf der Ukulele, über uns tropfen die Regentropfen auf das Zeltdach. Im Zelt neben uns schlafen Marianela und Luis, Gastóns Schwester und ihr Freund. Wir sind in Chile und wie wir hierher gekommen sind, das ist eine gute Geschichte.
Begonnen hat das Abenteuer letzte Woche am Montag. Nachdem wir unseren Hochzeitstermin festgelegt haben, haben wir kurzerhand entschlossen, dass wir unseren Wunsch in die Wirklichkeit umsetzen und nach Patagonien reisen. Gastóns Schwester lebt hier und so haben wir Kontakt aufgenommen und ausgemacht, dass wir sie besuchen kommen. Patagonien ist – wie irrtümlich viele glauben – kein eigenes Land, es ist eine große, große Region im Süden Argentiniens und Chiles, geprägt von Bergen, weiter Natur, Seen und anderen Naturschönheiten.
Am Donnerstag gings mit dem Flieger nach Bariloche, von dort mit dem Bus zwei Stunden in den Süden. Durch wunderbarst schöne Landschaften tingelnd, über Berge und an Seen vorbei zu Gastóns Familie in den Bolsón. Dort angekommen, hat uns Gastóns Neffe, Piltri, abgeholt und wir sind zu ihm nach Hause. Piltri ist 22 und lebt mit seiner Freundin und deren kleiner Schwester in einem kleinen, selbstgebauten Haus. Außerdem lebt dort noch Gastóns Nichte, Acayu und deren Vater und noch dazu ein paar andere Leute.
El Bolsón ist bekannt für sein Hippieflair – viermal in der Woche findet ein Kunsthandwerksmarkt statt, viele Aussteiger leben dort und auch sonst ist alles recht gemütlich.
Gastón und ich haben neben der so feinen Familienzeit (für 7 Leute kochen und gemeinsam an einem großen Tisch essen, das fühlt sich einfach immer an wie Weihnachten!) auch die Gegend erkundet.
Das folgende Video ist bei einem Abendessen entstanden – da haben wir uns sehr über die deutsche Sprache – und im Besonderen über das Wort „Kaulquappe“ amüsiert. Aber seht selbst:
[wpvideo Z3UQqzpk ]So waren wir an einem Tag in einem kleinen Park mit Aussichtsplattform über die patagonische Landschaft. Den Samstag haben wir Mate trinkend und Muffin essend am Markt verbracht – wo auch Gastóns Schwester ihren Schmuckstand hat. Das war auch das erste Mal, das ich sie kennengelernt habe.
Am Sonntag sind Gastón und ich dann in einen anderen Nationalpark gefahren: Lago Puelo. Und dort hat es mich fast umgehauen vor lauter Schönheit! Der See, die Farbe des Wassers, die Berge, die Bäume, die Landschaft. So atemberaubend schön! Ich hab ein bisschen geweint, weils so schön war.
Wir sind auf einen kleinen Berg gestiegen und haben von oben die Landschaft genossen – eine Stunde lang sind wir in der Sonne gelegen, haben die Wolken beobachtet, dem Wasser zugeschaut und uns immer wieder freudestrahlend angeschaut: Wir sind in Patagonien!
In El Bolsón haben wir eine ganz besondere kleine Dame kennenlernen dürfen: Jazmín. Sie ist die Schwester von Paloma (der Freundin von Gastóns Neffen Piltri) und 6 Jahre alt. Jazmín hat eine so so liebe Art und wir haben sehr viel Zeit mit ihr verbracht. Meistens spielend oder irgendetwas in der Natur entdeckend. Eine wahre Freude, mit einem so feinen Menschen Zeit zu verbringen. Generell haben sich alle so lieb um uns gekümmert, gekocht, unseren Geschichten gelauscht, von ihrem Leben erzählt und uns einfach Teil sein lassen an ihrem Leben.
Am Montag gings dann mit Gastóns Schwester und ihrem Freund nochmal weiter in den Süden: Nach Corcovado. Einige Stunden lang im Auto durch die unglaublich fasznierende, bunte, vielfältige, beeindruckende Landschaft Patagoniens fahren zu dürfen, ist wirklich ein Traum!
Wir haben Flamingos gesehen und einen wilden Vogelstrauß! Die Berge haben ihre Formen und Farben verändert, die Wiesen waren gesäumt von lila-rosa Blumen. Die Anden mit Schnee bedeckt im Hintergrund, die sandfarbenen Berge etwas näher. Patagonien ist so wunderschön, dass ich nur noch staunend und von Herzen dankbar im Auto gesessen bin.
Nach ein paar Stunden sind wir dann in einer noch viel kleineren, verschlafeneren Stadt angekommen: Corcovado. Dort leben Marianela und Luis in einer kleinen Hütte inmitten von 2 Hektar Grund – sie kennen alle Bäume und Pflanzen, jedes Blümchen, die dort wachsen, bauen Obst und Kräuter an. Vor ein paar Jahren, als Marianela noch mit ihren Kindern dort gewohnt hat, hatten sie ein Grünhaus und noch viel, viel mehr essbare Pflanzen.
Wir haben unser Zelt mitgebracht und es unter einem Baum im Garten aufgestellt – mit Blick auf die Mohnblumen, das hohe Gras und die Berge. Ach, ich sags euch. So ein Glück!
Die Hütte hat kein fließendes Wasser, aber es gibt Strom. Es ist alles sehr rustikal und soo gemütlich: Ein Klavier, eine Gitarre, ein paar Trommeln und andere Musikinstrumente haben einfach höhere Priorität, als eine warme Dusche.
Die Sonne genießend haben wir den Nachmittag am Fluss verbracht, über das Leben gesprochen und – natürlich – Mate getrunken. Marianela hat mit 17 beschlossen, dass das Leben in Buenos Aires nicht ihrem Traum entspricht: Sie ist nach Patagonien gegangen und hat begonnen, Schmuck zu machen und ihn zu verkaufen. Und das macht sie nach 30 Jahren immer noch. Ihr Schmuck ist wunderschön – mit Steinen, die es nur hier in Argentinien gibt und Silber, ganz fein und hochwertig zu Schmuck verarbeitet.
Am nächsten Tag haben wir unsere Siebensachen gepackt und sind mit dem Auto über die 25 km entfernte chilenische Grenze gefahren. Mit einem Stopp an einem Wasserfall, einer Quelle zum Wasserauffüllen und einer Jausenpause sind wir nach der sehr strengen chilenischen Grenzkontrolle dann auf der anderen Seite angekommen.
Mit Glück haben wir einen kostenlosen und wunderschönen Platz zum Schlafen gefunden, haben unsere Zelte dort aufgeschlagen und den Abend am Lagerfeuer singend verbracht.
Die Zeit mit Marianela und Luis ist so gemütlich – mittlerweile sind wir wieder daheim bei ihnen, sitzen in der Hütte, der Regen prasselt aufs Dach. Wir hoffen, dass unser Zelt den Schauer aushält. Die beiden sind so friedlich und offenherzig, lassen uns teilhaben an ihrem Leben und sind bereit für Abenteuer. Marianela ist fast 50, ihr Freund ein paar Jahre älter. Echte Hippies aus der ersten Generation. Liebevolle, einfache und herzliche Menschen. So fein, Zeit mit ihnen verbringen zu können.
Die Gespräche, die wir geführt haben, waren lustig, berührend und sehr tiefgehend. Eine Vertrautheit hat sich ausgebreitet, wir waren einander so nahe. Gastón sagt, dass diese Zeit mit seiner Schwester zu einer der schönsten gehört. Wie wunderbar, dass ich Teil davon sein durfte!
Unsere Patagonien-Zeit dauert noch ein paar Tage, am 23. gehts wieder nach Buenos Aires, wo wir auch Weihnachten verbringen werden.
[wpvideo LQ0VH3qs ]Es durchfährt mich, ich habe Tränen in den Augen und spüre mein Herz schneller schlagen, wenn ich daran denke, welch ein riesengroßes Glück ich habe, hier sein zu können.
Ich setze meine Geschichte fort, mittlerweile sind wir in einem Apartment in Bariloche. Eine Wohnung mit Warmwasser – das haben wir uns für die letzte Nacht an „Luxus“ gegönnt (wenn auch der Luxus in diesen letzten Tagen einfach seine Bedeutung komplett verändert hat…).
Wir haben schlussendlich die letzten zwei Tage in Corcovado in der Hütte geschlafen, was sehr gemütlich war. Am Donnerstag sind wir dann über Stock und Stein und Land und Berg (wie aufregend beschrieben!) zu einem Bergsee auf 1200m gefahren, haben Musik gemacht und uns am Feuer ein paar gute Sachen gekocht. So einfach und so traumhaft schön !
Gestern gings dann wieder ab nach Bolsón, weil Marianela am Wochenende dort immer am Kunsthandwerksmarkt ihren Schmuck verkauft. Ein bisschen sentimental und erfüllt, dass wir so eine schöne Zeit gemeinsam verbracht haben, haben wir uns dann heute von ihnen verabschiedet und den Bus nach Bariloche genommen.
Diese 10 Tage haben sich angefühlt wie ein paar Monate. So voll und so erfüllend. So abenteuerlich und gleichzeitig so ruhig. Den Rhythmus, die Ruhe, die Momente, die wir hatten – all das macht die Zeit in Patagonien unvergesslich.
Ich bin von Herzen dankbar, diese Zeit hier verbringen zu dürfen – Gastón und ich titulieren diese Reise mit „Junggesellenabschied“ und sind froh, dass wir so frei von Konventionen, einengenden Strukturen und voller Lebensfreude leben können.
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