Ich habe endlich viel Zeit. Viel Zeit, die ich mir frei einteilen kann. Zeit, die ich so verbringen kann, wie es mir passt. Es gibt keine Struktur, keine Eile, keine Vorgaben. Zumindest fast keine. Wäre da nicht die Stimme in meinem Kopf, die brav kategorisiert. Die Stimme, die meine Aktivitäten einteilt in „gut“ und eben „nicht so gut“, weil wenig produktiv, wenig kreativ, zu wenig von irgendwas.
Diese Stimme, die gab es natürlich auch schon vorher. Ich glaub, die gab es schon immer. Ich komme aus einer Familie, die gerne viel macht. Und so bin ich aufgewachsen, habs so miterlebt und bin selbst so geworden. An sich ja nichts Schlechtes. Ich bin gerne sportlich, produktiv und kreativ. Erledige gerne Sachen, mache drei Dinge auf einmal und freue mich, wenn etwas abgeschlossen ist. So weit, so gut. Gäbe es da nicht die andere Seite dieses immer viel tun Wollens. Denn diese andere Seite ist faul und irgendwie immer ein bisschen zu wenig. Herumliegen und fernsehen, wenn das Wetter schön ist? Die schmutzige Küche noch ein bisschen länger schmutzig sein lassen und einfach später abwaschen? Wieder einen Tag ohne Berg-, Rad-, Lauftour erleben? All das ist gar nicht so einfach, mit dieser inneren Stimme, die das nicht mag.
Und da ich jetzt weiß, dass ich diese innere Stimme habe, versuche ich ihr nicht mehr allzu genau zuzuhören. Natürlich hör ich sie, ich sag ihr dann aber mittlerweile schon bestimmt und fast vollkommen überzeugt, dass es das nun mal ist, was ich jetzt tun möchte. Dass es ok ist, sag ich ihr auch. Und dass auch sie sich mal ausruhen soll. Dass sie sich bewusst werden soll, dass es keine „guten“ oder „schlechten“ Dinge gibt. Dass es sicherlich Dinge gibt, die gut tun und dadurch auch vermehrt getan werden sollten. Doch da vertrau ich meinem Gefühl, dass ich eh das mache, was ich für mich in diesem Moment für richtig halte. Und das wird wohl auch am nachhaltigsten sein, denk ich mal.
Ich mag es, wenn mir Dinge bewusst werden. Dann sind sie an der Oberfläche und ich kann mit ihnen arbeiten. Kann – wie mit dieser Stimme – umgehen lernen und sie akzeptieren oder auch verändern, wenn ich das will. Viel zu lange hat diese Stimme einfach in mir drinnen geschlummert und sich immer wieder laut gemacht, ohne befragt worden zu sein. Viel zu lange war es mir nicht bewusst, dass ich mir selbst (oder eben dieser Stimme, die ich ja auch bin) nicht alles glauben muss. Und jetzt, endlich – habe ich auch dafür Zeit, mich von ihr zu verabschieden und sie im Vertrauen in mich zum Schweigen zu bringen. Denn diese Stimmen, die dagegenreden, die sind nicht grad die nettesten Gesprächspartnerinnen.
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