Wir stehen wie versteinert da. Sie scheint Schmerzen zu haben, große Schmerzen. Liegt neben uns, atmet schwer ein und aus. Sie steht auf, die Schmerzen scheinen zurückgegangen zu sein, doch wir haben ein Gefühl: Gleich wird es losgehen.
Sie ist groß und stark, ganz alleine hat sie sich einen Platz gesucht. Die anderen scheinen kaum etwas mitzubekommen von all dem, was sie gerade durchlebt. Wir stehen am Zaun, Momente des Staunens wechseln sich mit Momenten des Ekels ab. So nahe dabei? Das waren wir nie. Nicht so.
Sie liegt wieder, presst und gibt ungewohnte Laute von sich. Es kommt. Der Kopf ist fast zu sehen, die Bauchdecke hebt und senkt sich in schnellem Rhythmus. Es ist soweit. Der Kopf ist heraußen, alles ist schleimig und trotzdem ist das ein ganz roher, ein ganz wertvoller, ein ganz unfassbarer Moment.
Eine Kuh hat ihr Kalb geboren. Beide liegen ein paar Momente erschöpft auf der Wiese. Das Kleine atmet, es bewegt sich, es lebt! Wir haben es gesehen! Die Mutter steht auf und schleckt ihr Kind liebevoll ab. Ihr kleines, zartes Kind, ihr eigenes Fleisch und Blut.
Es dauert nicht lange und der Lauf der Dinge beginnt. Das Kalb wird abgeholt, so ist das nunmal. Die Mutter trottet daneben her, so, als würde sie all das nichts angehen. Was dann passiert, weiß ich nicht. Ich kann es nicht sehen.
Ein komisches Gefühl macht sich breit in mir. Bei so einem intimen Moment dabei zu sein, das macht etwas mit mir.
Ein Tag vergeht. Ich denke kurz darüber nach, was ich gestern miterleben durfte. Dann höre ich sie.
Ich öffne das Fenster und da steht sie – an der Stelle, an der sie ihr Kind geboren hat. Sie schreit laut, inbrünstig, schnuppert am Boden. Da steht sie und sucht wohl ihr Kind. Ihr Kind, das sie gestern geboren hat. Ihr Kind, das jetzt wohl nicht mehr bei ihr ist.
So ist das nunmal. Aber das will ich nicht denken. Ich kann es nicht mehr denken. Und weil es so ist, heißt es noch lange nicht, dass es gut ist, wie es ist. Idyllisch ist anders.
Warum ich keine Tiermilch mehr trinke? Das dürfte jetzt klar sein. Milchglasklar.
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