Manchmal, da bin ich so wütend.
So wütend, dass ich gar nicht mehr weiß, wo hinten und vorne ist. So wütend, dass ich all die Ich-Botschaften, Kommunikationsregeln und Empathiestrategien komplett vergesse. So wütend, dass ich so spreche, wie ich es nicht wollen würde, dass mit mir gesprochen wird. So wütend. Und das nicht mal wegen einer großen Sache.
Es ist mir peinlich, so wütend zu sein. Es ist anstrengend und es tut mir weh, wenn ich durch mein Wütendsein andere verletze. Es ist unangenehm und bringt im Nachhinein nicht mal wirklich eine Veränderung mit sich.
Wenn ich dann wieder klar denken kann, werde ich ruhig. Unsicher und in mich gekehrt. Wenn ich dann wieder klar denken kann und die Wut sich verflüchtigt hat, kann ich das, was vorher wütend aus mir heraus explodierte, plötzlich verstehen und anders formulieren.
Eines der Dinge, die mich in diesem Kontext besonders stutzig gemacht haben, ist, dass ich es doch besser wissen sollte. Dass ich mich doch so viel mit mir, meiner Sprache und meinem Verhalten auseinandersetze. Dass ich doch eigentlich weiß, worum es in den Konflikten geht. Dass ich doch eigentlich verstehen kann, wo die wirkliche Krux an der Sache liegt. Es macht mich stutzig und nachdenklich, dass ich nach all den Jahren der Selbstreflexion, des Wachsens, des Hineinhörens, des Kennenlernens neuer Ansichten, Meinungen und Welten immer noch so ungehalten, aggressiv und abwertend reagiere auf manche Situationen.
Und dann hatte ich diesen Gedanken. Diesen befreienden, diesen selbstfürsorglichen, diesen akzeptierenden Gedanken: Die Frage ist nicht, warum ich nicht wo anders stehe, nach all diesem Empathie-Selbstliebe-Bewusstseins-Reflexions-Metaebene-Bootcamp der letzten Jahre. Die Frage ist, wo würde ich stehen, hätte ich all das nicht gelernt, erfahren, ausprobiert, erlebt, dazugelernt?
Ich darf diese Frage in mir beantworten. Denn ich merke, dass ich schneller aus der Wut wieder in einen klaren Zustand komme. Dass ich es mittlerweile auch mal schaffe, mich zurückzunehmen und die Sache nicht größer zu machen, als sie ist. Dass ich mir beim Hineinwirbeln in die Gedanken auch Hilfe holen kann, um wieder herauszukommen, auch das habe ich lernen dürfen.
Viele Dinge haben sich verändert. Und dass ich immer noch wütend werde, finde ich gar nicht mehr so schlimm. Ich merke sogar, dass es nicht darum geht, nicht mehr wütend zu werden, sondern vielmehr darum, wie ich damit umgehen kann. Und damit werd ich immer besser, das ist ja schon mal was.
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